J.-D. Gross (Hrsg.): Denkmalpflege in der Stadt Bern

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Titel
Denkmalpflege in der Stadt Bern. Vierjahresbericht 2013–2016


Herausgeber
Gross, Jean-Daniel
Erschienen
Zürich 2017: Chronos Verlag
Anzahl Seiten
255 S.
von
Philipp Stämpfli

Der neueste Rechenschaftsbericht der städtischen Denkmalpflege ist in drei grössere Blöcke unterteilt: in einen einleitenden Teil, den Hauptteil mit den Gebäudeinformationen und einen Bildteil. Der Band beginnt mit Luftaufnahmen, auf denen die weiter hinten besprochenen Gebäude farbig markiert sind – einer sehr nützlichen Übersicht, die einen einfachen Einstieg in den Haupttext bietet. Wer will, kann sich natürlich auch im Register im Anhang einen Überblick verschaffen.

Die beiden einleitenden Texte befassen sich auf unterschiedliche Weise mit dem Thema «Denkmalpflege». In seinem Vorwort betont der Stadtpräsident, dass neben der intakten Landschaft für unser physisches und psychisches Wohlbefinden auch die baulichen Zeugen der Vergangenheit nötig sind. Sie sind Teil der Lebenswelt, mit der wir uns identifizieren. Zudem sind sie eine der Grundlagen für einen nachhaltigen Tourismus und so auch wirtschaftlich von Belang.

Der Denkmalpfleger seinerseits macht sich Gedanken zur energetischen Sanierung von Altbauten. Gebäude transportieren eine materielle und eine ideelle Botschaft. Materiell vermitteln sie Wissen über historische Bau­ und Konstruktionsweisen. Ideell sind sie Ausdruck des gesellschaftlichen und religiösen Umfelds, in dem sie entstanden sind. Diese Botschaften möchte man erhalten, gleichzeitig aber herausfinden, wie weit die Bauten auch ins Konzept eines nachhaltigen Bauens passen. Leider benachteiligen moderne Kennzahlen zur Energiebilanz Altbauten, weil sie Faktoren vernachlässigen, die für deren Energiehaushalt wichtig sind. Zudem können Altbauten Vorteile aufweisen, die in Zukunft eine Rolle spielen dürften: Ihre massive Bauweise verlängert ihre Lebensdauer und reduziert damit die Umweltbelastung; sie kommen ohne teure Haustechnik aus und sind daher weit weniger störungsanfällig. Einfache, massive Baustrukturen dürften langfristig eine bessere Ökobilanz haben als Neubauten, die in viel kürzeren Abständen repariert werden müssen und deren technische Einrichtung ebenfalls eine verhältnismässig kurze Lebensdauer aufweist. Jean­Daniel Gross plädiert für eine «intelligente Einfachheit» als Gegensatz zu einer sich immer weiter entwickelnden Technisierung.

Danach geht der Denkmalpfleger auf die Überarbeitung des Bauinventars in den Jahren 2013–2016 ein. Die bisherigen Einträge wurden überprüft und harmonisiert; ausserdem erfasste die Denkmalpflege die Neubauten aus dem Zeitraum 1960–1990. Aufgrund politischer Vorgaben war eine Reduktion der im Inventar erfassten Bauten notwendig.

Den Hauptteil des Bandes machen die Bauberichte aus. Sie sind aber weit mehr als das: Die Denkmalpflege begnügt sich nicht einfach damit, genau zu beschreiben, auf welche Art und Weise die geschützten Häuser saniert wurden. In allen Fällen liefert sie eine ausführliche Bau­ und Nutzungsgeschichte mit, die das Verständnis für die getroffenen Massnahmen fördert. Es wäre zu wünschen, dass sie diese Informationen auch über das online zugängliche Bauinventar der Stadt Bern verfügbar machen würde. Die Texte zu den einzelnen Gebäuden erlauben einen detaillierten Nachvollzug der Gedanken, welche die Denkmalpflege bei ihren Entscheiden leiteten. Das ist eine gute Möglichkeit, unsachlicher Kritik zu begegnen; diese Art von Offenheit ist sehr zu begrüssen. Allerdings tendiert die Denkmalpflege offensichtlich dazu, wertende Urteile ohne Weiteres für verbindlich zu erklären. So heisst es beispielsweise, die Rathausgasse 68 sei «unvorteilhaft» renoviert und die historische Gebäudestruktur sei «verunklärt» worden (S.67). Die Monbijoustrasse 22 wurde ihrer dekorativen Erscheinung «beraubt» (S.157), und auf der nächsten Seite wird ein Architekt für seine «berechtigte Haltung» gelobt. Diese und andere vergleichbare Wendungen belegen das Selbstvertrauen und die starke Stellung, welche die Denkmalpflege im Lauf der Zeit erlangt hat.

An einem Beispiel lässt sich zeigen, dass auch die Denkmalpflege nicht von den Auswirkungen des Klimawandels verschont bleibt. So rechnet sie aufgrund der zukünftigen höheren Temperaturen mit einer zunehmenden Bedeutung der Windkräfte, die auf den Münsterturm einwirken. Die Bauleitung hat deshalb entsprechende Sicherungsmassnahmen ergriffen.

In die Berichtsperiode fallen die Sanierungen einiger grosser «Brocken», etwa des Münsters, der Heiliggeistkirche, des Bundeshauses Ost, des Bibliotheksgebäudes an der Münstergasse, des Burgerspitals, des Hauptgebäudes der Universität oder des grossen Länggassschulhauses. Der vorliegende Band dürfte deshalb nicht nur für die Besitzer privater Liegenschaften, sondern auch für eine breitere Öffentlichkeit interessant sein. Den Band schliesst ein attraktiver, professionell gemachter Bildteil ab. Die prächtigenAufnahmen zeigen eine Auswahl von Gesamt­ und Detail­, Aussen­ und Innenansichten der besprochenen Bauten. Auch diese Bilder würden das Online­Bauinventar perfekt ergänzen.

Insgesamt liegt ein weiterer ausgesprochen informativer Band zur Tätigkeit der Stadtberner Denkmalpflege vor, der eine grosse Fülle an wertvollen Informationen und Abbildungen zu interessanten Zeugen der Berner Baukultur enthält. Nicht nur wer weiss, wie aufwendig die Recherchen zur Geschichte von Gebäuden sind, wird ihn sehr zu schätzen wissen.

Zitierweise:
Philipp Stämpfli: Rezension zu: Gross, Jean-Daniel (Hrsg.): Denkmalpflege in der Stadt Bern. Vierjahresbericht 2013–2016. Zürich: Chronos 2017. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 80 Nr. 3, 2018, S. 58-59.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 80 Nr. 3, 2018, S. 58-59.

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